Wenn der geliebte Beruf zu Hölle wird - ein Appell an alle

in deutsch •  3 years ago 

Wenn der geliebte Beruf zu Hölle wird

Wer meine Beiträge liest, der weiß das heute was anders ist. Schon die Überschrift deutet drauf hin, aber auch bereits vorgestern war mein Beitrag etwas anders. Denn ich war vorgestern sauer, wütend, traurig, enttäuscht und so vieles mehr, bin ich teils noch immer. Wieso werdet ihr nun hier erfahren, mit ein wenig Umweg.

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Es geht hier um meine Frau!

für den Traumberuf vieles Aufgegeben

Es ist nun über ein Jahrzehnt her, da zog meine Frau noch als junge Frau von der Familie weg um eine Ausbildung in ihrem Traumberuf machen zu können. Damit hat sie auf vieles verzichtet, wie z.B. ihren ersten Neffen aufwachsen sehen. Zu essen gab es oft nur wenig, Nudeln mit Soße, denn Unterstützung hatte sie nicht, für die paar m² die Ihr Reich waren, ging schon der Großteil der Ausbildungsvergütung drauf. Als Auszubildende in einem Pflegeberuf verdient man bei weitem nicht so gut wie in vielen anderen Ausbildungsberufen. Da war am Monatsende nun mal nicht viel übrig für Essen und somit schon gar nicht für eine Bus oder Bahnfahrt zur Familie. Das musste man schon gut einplanen oder hoffen, dass jemand einen abholt.

Der Weg zur Arbeit und Schule musste zu Fuß bewältigt werden gut 30min. Also täglich über 1 Std. zusätzlich auf den Beinen. Fahrrad war leider immer wieder kaputt und keiner der es Reparieren konnte. Erst im letzten Jahr hatte Sie einen Roller bekommen.

Aber für den Traumberuf macht man einiges und nimmt viel in Kauf.

Neue Stelle

Nach 4 Jahren im Krankenhaus beginnt eine neue Stelle in der Intensivpflege bei einem ALS Patienten (eine echt schlimme Krankheit!), da ein Umzug erfolgt ist. 12 Stundendienste und zusätzlich 2 Std Autofahrt die sehr schlauchen, aber dennoch ein Job der geliebt wird.

wechsel in Ambulante Krankenpflege

Nach einigen Monaten wird in der Ambulanten Pflege ein Platz frei, keine weite Autofahrt mehr, daher erneuter Jobwechsel.

Auch hier macht der Job Spaß, auch wenn manche Patienten anstrengen sind, sonderwünsche haben und besonders behandelt werden müssen. Aber die Arbeitszeiten sind einfach nur mist. Teildienste, Morgens und Nachmittags, dazwischen frei, zu kurz um sich wirklich auszuruhen oder etwas gescheites zu machen, aber wiederum zu lange um nur eben Mittag zu machen.

wieder Intensivpflege

Nach einem Jahr zurück in die Intensivpflege, bessere Arbeitszeiten zunächst, aber dafür weiterer Weg wieder. Der Job macht Spaß, aber schlaucht, nach 5 Jahren ist es nötig nach was neuem zu schauen, denn inzwischen wirds zu viel, nicht selten 200 Std. und mehr im Monat, Überstunden ohne Ende angesammelt obwohl immer wieder welche ausgezahlt wurden. So kanns nicht weiter gehen. Zwischendruch wurde der Arbeitgeber gewechselt, der Patient blieb der gleiche, es sollte sich was ändern. Aber auch dann blieb es bei den 200 Arbeitstunden, dazu kam dann Teamleiter-Aufgaben...

zurück ins Krankenhaus

Durch eine Freundin bei einer Zeitarbeitsfirma beworben, mit super Lohn, zumindest erst gedacht, da deutlich mehr als im vorherigen Job. Einsatz im Krankenhaus, Coronastation. Au backe, endlich wieder im Krankenhaus arbeiten, worüber sie sich gefreut hat, aber dann direkt auf die Coronastation. Nun, hatten wir schon fast mit gerechnet. Ist halt so.

Ja der Job macht Spaß, auch wenn es eine Ausnahmesituation ist. Es ist wie damals aber auch wiederum nicht. Endlich wieder mit Kollegen zusammen arbeiten, in der Intensivpflege hat man sich nur zum Schichtwechsel gesehen, wenn überhaupt. Endlich wieder mit unterschiedlichen Patienten, andere Aufgaben, anderer Tagesablauf. Nun wieder 3 Schichtsystem, sehr frühes Aufstehen bei der Morgenschicht. Aber es macht wieder richtig Spaß.

Hart und traurig

In den ersten Monaten dieses Jahres viel viel mehr Patienten verloren als in 4 Jahren Krankenhausarbeit damals. Und da war es schon nicht wenig, mehr als andere Mitauszubildende/Kollegen. Wenn man in 4 Monaten das x-Fache an Patienten verliert gegenüber dem in 4 Jahren, dann ist das schon echt Hart. Aber einer muss ja den Job machen. Leider haben viele Krankenschwestern das nicht mehr ausgehalten und gekündigt, komplett raus aus dem Beruf oder nur weg vom Krankenhaus. In dieser Zeit ist es umso schlimmer, wenn man neu angefangen hat und nach wenigen Monaten gehen Kolleginen, die man zu schätzen weiß.

mehr Stunden als gewollt

Gehalt war nicht ausschlaggebender Punkt, sondern die Stunden, aber weniger Stunden bei etwa gleichem Gehalt, das wars doch. Perfekt. Inzwischen ist das Gehalt deutlich höher, denn Sie hat andere darüber sprechen gehört und mitbekommen, das diese deutlich mehr bekommen. Hatte sich aus Unwissenheit unter Wert verkauft. Arbeitgeber gewechselt, aber nicht den Arbeitsplatz.

Geplant waren eigentlich 154 Stunden ~35Std. Woche. Nun daraus werdens aktull immer 160-170 Stunden. Aber immer noch besser als 200 oder mehr Stunden.

Naja aktuell sind es mehr Stunden, zu den 170 geplanten Stunden kommen Überstunden, denn meine Frau will die Kolleginen nicht "allein" lassen und hilft noch wo Sie kann aus. Zu wenig Personal für viel zu viele Patienten.

Nur ein Mitarbeiter in der Nachtschicht

Das nur ein mitarbeiter auf einer Station in der Nachtschicht ist, ist nicht selten und bei den meisten Stationen auch weniger das Problem. Aber auf der Coronastation ist das nicht in Ordnung. Wenn es nur 2-3 Patienten sind, dann geht es dort, aber nicht wenn es an die 10 sind. Nur 10? Ja das fragen auch manche Kolleginen und ob man nicht bei denen mal kurz aushelfen kann. Die die noch nicht auf der Coronsatation gearbeitet haben, die verstehen es nicht. Ja auf anderen Stationen ist man auch mit 20 Patienten mal alleine. Aber hier ist der Aufwand um ein vielfaches höher.

Mal ebend zum Patienten rein

Man kann nicht mal ebend zum Patienten rein. Man muss sich an die Hygienevorschriften halten, extra Maske, Visir, Kittel, doppelt Handschuhe...
das kostet Zeit, viel Zeit. Wenn man dann etwas eben holen muss, obs Medikament, ein Gerät ist oder sonst was. Wieder ausziehen, holen, wieder anziehen.... Wenn man zu zweit ist gehts schneller und einfacher, denn einer ist draußen und reicht alles rein und notiert alles direkt.

Notfall

Notfälle gibt es natürlich auch öfters, manche nicht so akut, aber eine Verlegung ist notwendig auf die Intensiv, aber alleine geht schlecht. Nun muß man jemanden extra organisieren. Was aber wenn dafür keine Zeit mehr ist, weil man reanimieren muss?

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Es macht "Spaß"

Trotz alledem immer noch mit Leib und Seele dabei. Ein Grund wohl wieso ich meine Frau so liebe. Für mich wäre dieser Beruf gar nichts! Ich würde glaube nach einem Tag bereits verzweifeln und die Segel streichen.
Sicherlich gibt es auch schöne Momente, wenn Patienten sich freuen, das man wieder Schicht hat. Wenn man doch mal etwas Zeit hat um mit den Patienten zu quatschen. Wenn man von diesen Geschichten hört. Und natürlich wenn man die Patientenentlassen kann, weil es ihnen soweit wieder gut geht.

Glaube der Vorspann langt, sonst gebt ihr es noch auf weiter zu lesen.

Die Hölle

Mit Leib und Seele dabei, trotzt körperlicher Belastung und natürlich auch Psychischer Belastung. Krankschreibung? Nein, das gibt es nicht, auch nicht wenn ich schon Sauer bin, weil sie sich kaum bewegen kann. Dann muss die Kollegin halt ein Schmerzpflaster aufkleben am Rücken... Krank geht nur wenn Sie frei hat...

Montag rief sie mich weinend vor Ihrer Schicht an, sie hatte mit Ihrer Kollegin, die am Wochenende Nachtschicht hatte kurz gesprochen, sie will das erste mal seit ich sie kenne nicht zur Arbeit. Eine ältere Patientin muss intubiert werden. Leider gibt es nur noch einen Platz und den bekommt jemand anderes. Hat leider die besseren Chancen. Die Patientin fragte ob sie nun sterben muß? Die Kollegin sagte nur : "In meiner Schicht wird nicht gestorben".

Hätte Sie so gern in die Arme genommen. Immer wieder "Ich will da nicht hin, das kann ich nicht.". "Du mußt, deine Patienten brauchen dich". Was anderes wußte ich nicht zu sagen.

Ich war Sauer, Sauer auf so einige. Auf die die meinen Corona ist harmlos, auf die es immer noch leugnen, auf die, die unbedingt zum karnevall müssen, die ins Fußballstadion gehen müssen und so vieles mehr.

Ich bin Sauer auf die Politiker, die immer erst wenns zu spät ist reagieren. Ja weil sonst ja keine Grundlage besteht. Das obwohl viele davor gewarnt haben. Muss man erst reagieren, wenn es zu spät ist? Scheißt doch mal auf die Wahlen und auf die Stimmen, es geht um Menschenleben und um die Würde vieler.

Ihr Querdenker, Besserwisser oder was auch immer. Geht von mir aus Demonstrieren, wenn ihr so von überzeugt seid. Aber dennoch, tragt gefälligst eure Masken, haltet Abstand! Es geht nicht nur um euer leben, es geht um das leben anderer und es geht hier um RESPEKT!

Auf dem Balkon stehen und klatschen, dass ist nett, aber ihr wisst ja von wem nett die Schwester ist...

So jetzt rege ich mich doch wieder auf, sorry.

mein Appell an alle

Dies richtet sich wirklich an ALLE, ob geimpft oder nicht, ob genesen oder nicht, ob ihr an Corona glaubt oder nicht

  • Tragt Masken, und nicht halbherzig (unter der Nase).
  • Haltet Abstand soweit es geht
  • Beschränkt eure Kontakte, nein man muss nicht allein sein, aber man muss auch keine großen Partys feiern

Wenn die Politik versagt, müssen wir alle dafür sorgen, dass es nicht zum schlimmsten kommt.

Es ging soweit gut aus

Die Patientin die Intubiert werden musste, konnte im Laufe des Tages verlegt werden, da in einem naheliegenden Krankenhaus ein Platz "frei wurde".

Falls ihr das hier lesen wollt, müsst ihr von unten nach oben lesen, dass ist aktuell leider alltag:
Live-Reportage von der Intensivstation „Ich bin fertig. Zu viel hat mich hier beeindruckt, erschüttert, bewegt“

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