Gestern haben Leroy und Frauchen einen langen und großen Ausflug in ihren alten Berliner Kiez in Berlin Weißensee gemacht. Die zwei Wohnungen, in denen wir gewohnt hatten, unsere Straßen, die Spielplätze der Kinder, Kindergärten, Schulen - und unsere Eckkneipe: Jechows Eck.
Jechows Eck war die beste Kneipe in ganz Berlin. Jeder kannte jeden, manchmal haben wir sogar unsere Kinder dort abgegeben für 1-2 h, wenn gar nix mehr ging. Renate hat sie dann ins Seitenzimmer geschoben und sich mit ihnen beschäftigt, während nebenan ordentlich gesoffen und geraucht wurde. Der Laden wird noch gesondert gewürdigt.
Die Flucht aus dem Papiergeld in Betongold hat auch im Komponistenviertel und gegenüber auf der anderen Seite der Berliner Allee ihre Spuren hinterlassen. Massig Neubauten, Luxussanierungen, sogar Townhouses. Anstelle der Oberschule gibt es jetzt eine Ausdruckstanz-Butze und Tiefgaragen.
Die Asylantenheime hat die rot-grüne Beamten-Bourgeoise weiter hinten Richtung Heinersdorf und Industriegebiet hingeklatscht. Da wohnen nur Asis, die freuen sich darüber.
Unsere Eckkneipe gibt es natürlich nicht mehr, aber das wussten wir - die waren schon längst pleite nach dem ersten Anti-Raucher-Gesetz. Renate steht heute an einer Frittenbude, ihr Mann ist Museumswärter. Die Eckkneipe sah aus wie eine Yogapraxis, aber der Nachbar von obendrüber hat uns erkannt und ist runtergekommen und aufgeklärt über die Neuigkeiten: Da wohnt jetzt ein Arzt. 148 qm, 2600 € kalt.
Die Kaufhalle gegenüber, kurz danach ein "Plus-Discount", ist jetzt die Werkstatt für die Waldorf-Schule.
Das Sonneneck gibt es auch nicht mehr, der Schuster ist weg, die Möbelfabrik ist platt. Dafür gibt es paar neue Biomärkte um die Ecke, zwei Yogastudios und einen schwäbischen Bäcker.
Unsere erste Absteige ist jetzt frisch gestrichen und sieht ganz passabel von außen aus. Die Rentner, die dadrin gewohnt hatten, sind alle tot. Nur die zwei Giftzwerge über uns, die sich bei der Hausverwaltung mal beschwert hatten, wir würden zu laut ficken und beim Kochen die Fenster offen lassen, die leben noch.
Die grauenhafte Pizzeria war weg, dafür viele schöne Häuser, die damals kurz vor dem totalen Verfall standen, ganz schön hergerichtet und gerettet.
Die alte Bevölkerung gibt es da, glaube ich, gar nicht mehr. Das sind jetzt Eigentumswohnungen von Leuten, deren Kinder Lasse oder Lene heißen.
Naja, so ist es halt. Die einen gehen, die anderen kommen. Nix ist für ewig, und eine Garantie auf billigen Wohnraum im ruhigen, grünen Zentrum am Weißensee gibt es eben auch nicht.
Wir waren ja auch nur die Vorhut gewesen, damals nach der Wende.
Der Weißensee glich dem Zielpunkt einer Völkerwanderung. Alles voll mit Joggern in neumodischen Kostümen, verhärmte Ökoweiber mit ihren Kinderwagen und massenweise Renter zum Sonntagsspapziergang.
Ach ... doch, eine Konstante war noch da: Das Standbad am Weißensee! Ein herrlicher Platz mitten in der Stadt, damals wie heute.
Habe ich dir schon gesagt, dass ein Blockchainleben mit @leroy.linientreu 1000 Mal schöner ist, als ohne? Wie du über Gentrifizierung eines Viertels schreibst, ist einmalig. Legst den Finger in jede Wunde. Ganz ohne mit den Finger zu zeigen, oder anzuklagen. das machst du hervorragend, Leroy. Klar, die Giftzwerg Arschgeigen, die hätte ich auch bei den Bloggern verpetzt. Schön, dass du wieder bei uns bist!