Einen Nachmittag zu Fuß in Tokyo 👟🕶Teil 3: From Nippori to Ueno 😎🎬- 👹🍣🎎 Großartiges Japan

in blurtlife •  4 years ago 

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Für alle, die den Prolog und den ersten Teil verpasst haben sollten, gibt es hier natürlich noch einmal Gelegenheit, sich zu informieren, wie ich bisher diesen herrlichen Tag verbracht hatte.


Teil 1: Prolog

Teil 2



Also da saß ich nun in der Yamanote-Line, der Tokioter Ringbahn, welche die verschiedenen Innenstadtzentren verbindet. Da ich noch nicht gewillt war, die Heimreise anzutreten, ignoriere ich einfach die Stationen Tokio und Ueno, an denen der Shinkansen abfährt bzw. hält, und fahre einfach weiter.

Mein Ziel ist jetzt der Bahnhof Nippori, welcher sich im Bezirk Arakawa und somit nördlich von meinen bisherigen Abenteuern befindet. Dieser Durchgangsbahnhof wird von zwei Gesellschaften, der JR East und der Keisei Dentetsu bedient. Außerdem startet hier noch der Nippori-Toneri-Liner, dessen Züge die 20 Kilometer lange Strecke nach Minumadai auf Reifen bewältigt

JR steht für Japan Railway und könnte mit sehr viel guten Willen als das Pendat zur Deutschen Bahn angesehen werden. Wenn man hinsichtlich Pünktlichkeit und Service zu Gunsten der DB mal alle Augen zudrückt.

Keisei hat hier eine Station für ihre Hauptlinie, welche von Ueno kommend den Flughafen Narita anläuft. Hierbei hat man verschiedene Züge zur Auswahl. Der Skyliner schafft die Entfernung bis zum Flughafen in 43 Minuten, die gemütliche Zugvariante tuckelt sich in gemütlichen eineinhalb Stunden ans Ziel, hält aber auch an gefühlt überall an. Beides hat ihren Charme.

Der Blick den von oben zeigt deutlich, dass wir es hier mit Sicherheit nicht mit einem kleineren Bahnhof zu tun haben, in den Hauotbahnhöfen jeder größeren Kleinstadt und kleineren Großstadt in Deutschland ist weniger los. Hier rollen die Züge im Minutentakt an, und selbst der majestetische Shinkansen gibt sich die Ehre, auch wenn er sich natürlich nicht dazu herablässt hier auch anzuhalten. Aber er düst wenigstens hier mal durch.

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Richtung Süden sieht das ganze Ensemble aus wie ein großer Labyrinth, ein Flickschusterei aus verschiedensten Anbauten, die aber einwandfrei funktionieren.
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Nippori war bisher für mich nur einige Male Umsteigestation, aber am heutigen Tage habe ich mir diesen Bahnhof als Ausgangspunkt für meinen zweiten Spaziergang an diesem Tage ausgeguckt. Ich will mich von hier aus zum Bahnhof Ueno durchschlagen und habe dabei vor der Yanaka-Friedhof und den Ueno-Park zu durchqueren. Zeitlich gesehen habe ich noch etwas Puffer, aber da ich auch nicht all zu spät zu Hause aufschlagen will, werde ich wohl jetzt ein etwas höheres Tempo einschlagen. Der große Vorteil, wenn man einmal alleine unterwegs ist.

Der Yanaka-Friedhof ist einer der ältesten Friedhöfe in Tokio und befindet sich bereits im angrenzenden Bunkyo-Bezirk. Die Yanaka-Gegend hat die großen Katastrophen des letzten Jahrhunderts (Erdbeben und Weltkrieg) zum größten Teil unzerstört überlebt und wartet deshalb mit einer ganz eigenen, an die Showa-Zeit erinnernden, Atmosphäre auf.

Daher wird diese Gegend oft als Geheimtip für Tokio-Besucher, wobei man natürlich bedenken muss, dass wenn einen selbst so ein Tip erreicht, das Ganze nun wirklich nicht mehr geheim sein kann. Trotz allem bin ich ja auf der Suche nach Neuland, und da gehört dieser Teil der Stadt nun einmal dazu. Außerdem sollen sich hier angeblich eine Menge Katzen rumtreiben, ein weiterer Grund hier vorbei zu schauen.

Da der Friedhof unmittelbar an den Bahnhof angrenzt, konnte ich sofort in diese andere, ruhige Welt eintauchen. Alte Friedhöfe gehören seit einiger Zeit zu den Zielen meiner Besichtigungstouren, auf diese Weise lernt man die Kultur einer Landes von einer ganz anderen, sehr ehrlichen Seite kennen. Oft handelt es sich um Oasen der Ruhe innerhalb der hektischen Großstädte unserer Welt.

Nach den ersten Metern war dann auch sofort der Lärm und das Gewusel des Bahnhofes aus meinen Gedanken entwichen und diese vorzügliche Spätsommertag hatte wieder meine volle Aufmerksamkeit.

Neben den Hauptwegen stehen hier auch etliche Kirschbäume, was ein bisschen an den Aoyama-Friedhof hier erinnert, der zur Blütezeit eines der Hauptziele der lustwandernden Tokioter aber auch viele Touristen wird. Ende März Anfang April sollte also auch dieser Friedhof hier erwachen und aufblühen, strahlend wenn auch nur kurzzeitig , vergänglich wie auch das Leben ist.

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Ich habe beim Durchstreifen explizit Ausschau nach den Tigern der Großstadt gehalten, aber das Ergebnis meiner Beobachtungen war dann eher ernüchternd. Der Wettbewerb Katze und Hund hat heute keinen Sieger gesehen, ein ausgegelichenes 2 zu 2 steht als Ergebnis da. Aber sie sind da, und im Gegensatz zum Hund kommen und gehen sie alleine. Die beiden Samtpfoten haben auch die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite, die Zweibeiner kommen scheinbar teilweise ihrerwegen, und bringen Streicheleinheiten oder auch mal eine Schale Milch mit.

Und sie scheinen auch nichts dagegen zu haben, in diesem Blog zu erscheinen. Auf Anfrage wurde sich bewusst in Szene gesetzt, bis die Bilder im Kasten waren. Sehr symphatische Zeitgenossen, wie ich wieder einmal feststellen durfte.

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Das Licht der sich langsam senkenden Sonne hat dann auch die Schatten länger gemacht und die eindrucksvolle Stimmung hier noch verstärkt. Ich wanderte bereits abseits des Hauptweges, welcher eher eine Straße ist auf der man auspassen muss, um nicht für immer hier bleiben zu müssen. Aber dicht zwischen all den Grabsteinen, welche auf buddhistischen Friedhöfen eher Stelen sind, kann man die Atmosphäre dieses Ortes, welcher uns ermahnt die Schönheit des Diesseits nicht zu übersehen, viel eindringlicher wahr- und aufnehmen.

Ich weiß nicht wer hier liegt und warum und wofür diese Person gelebt und geliebt und wahrscheinlich auch gelitten hat, aber zeigt nicht ein Friedhof immer wieder, dass egal aus welcher Ecke unseres Planeten wir auch kommen, wir doch von Anfang bis Ende dem gleichen Weg zu gehen haben. Ohne Ausnahmen.

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Wie ich tags zuvor gelesen hatte, existiert auf diesem Friedhof die Ruhestätte von Yoshinobu Togugawa, dem 15. und letzten Shogun der Edo-Zeit, der zwar versuchte während der Wirren der Meishi-Restauration seine Machtbefugnisse in die neue Zeit zu retten, aber letztendlich komplett abdanken und dem Kaiser die Herrschaftsrechte zurück übertragen musste.

Die Meishi Restauration schaffte die 4-Klassen-Gesellschaft ab, was auch das Ende der Samurai einläutete, welche bis zum Ende der Edo-Zeit noch in der höchsten Klasse lebten und als einzige Waffen führen durften. Außerdem führte sie zur schnellen Modernisierung und Militarisierung Japans, welches sich hierfür stark an den damals führenden westlichen Nationen orientiert hatte.

Trotz seiner Niederlage im Boshin-Krieg genannten damaligen Bürgerkrieg hatte Yoshinobu Tokugawa, wie nur wenige ehemalige Herrscher seiner Zeit aber das Glück seinen Lebensabend in Freiheit und Wohlstand und als angesehende Person zu erleben.

Und nach seinem Grab hielt ich nun Ausschau. Ein Wegeplan hatte mich bereits in die richtige Richtung verwiesen, und nach einem fehlgeschlagenen Versuch stand ich nun vor dem richtigen Tor, mit dem Wappen der Tokugawa. Die eingezäunte Grabanlage ließ natürlich die Frage offen, welcher der gemauerten Steinhaufen nun dem letzten Shogun als Ruhestelle dient, aber meine Neugier hielt sich diesbezüglich in Grenzen und war soweit gut bedient.

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Anschließend machte ich mich dann auf dem Weg Richtung Ausgang, welcher auf der entgegengesetzten Seite vom Eingang und somit nun in meiner Nähe lag. Ich wollte ja nicht dorthin zurück, wo ich herkam, sondern noch ein bisschen auf neuen Pfanden wandeln.

Also noch ein zwei Schleifen über den Friedhof, vorbei an einem stillen Beobachter. Auch dieser Bursche schien die ganz besondere Stimmung dieses Ortes zu spüren und ließ sich von mir gar nicht weiter beeindrucken.

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Bevor es dann in den Ueno-Park ging, lag noch ein Tempel auf meinem Weg, den ich mir anschauen wollte. Die Anlage des Jomyoin-Tempel liegt mitten in einem Wohngebiet und beherbergt mehr als 20.000 Jizo-Statuen. Jizo ist eine kahlgeschorene Mönchsfigur aus der buddhistischen Welt, welche oft als Schutzgott der Kinder angesehen wird.

Die Würde dieser vielen wettergegerbten Statuen hinterließ auch bei mir einen bleibenden Eindruck. Ich hoffe, dass auch ich solch eine Hingabe zeigen kann, wie sie mir gegenüber gezeigt wurde. In Gedanken bat ich nun um Stärke und Genesung für jemanden, dem es gerade gesundheitlich nicht am besten geht. Dieser Tempel richtet wohl im Sommer eine Gedenkfeier aus, für all die Menschen, die an Husten oder Asthma leiden, und diese Aura wollte ich aufnehmen und teilen. Ach, wenn es denn so einfach wäre.

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Die Schatten wurden langsam länger und ich hatte mir jetzt eine Zeit in den Kopf gesetzt, zu der ich den Shinkansen vom Bahnhof Ueno nehmen wollte. Da ich aber bisher bereits schon nicht gebummelt hatte, brauchte ich jetzt nur ein bisschen zuzulegen, und den Ueno-Park einmal von oben nach unten zu durchqueren.

Am Himmel zogen derweil immer mehr Wolken auf, was mich an den gestrigen Nachmittag erinnerte, an dem wir auch im Ueno-Park weilend von ein paar Regentropfen zwar gewarnt wurden, aber auf diese Warnung nicht ausreichend reagiert hatten.

Wir hatten uns einfach mit unseren Regernschirmen unter ein paar Bäume gestellt, um den Regen abzuwarten, was klip und klar gesagt die falsche Entscheidung war. Es folgte ein längerer Regenguss, welcher uns nach einiger Zeit von unter her durchnäßte und uns zwang uns durch den strömenden Regen Richtung Hotel durchzuschlagen, welches zum Glück nicht weit vom Parkausgang war. Dort angekommen, waren wir natürlich schuh- und hosentechnisch klitschnass. Natürlich hörte der Regensturm auf, sobald wir auf den Zimmern waren. Und dieses Schauspiel wollte ich heute unbedingt vermeidem und mich nicht noch einmal aus dem Park spülen lassen.

Vorbei ging es an den Orten und Plätzen, an denen wir gestern noch vor dem Sturm vorbei gekommen sind, und welche mir heute ein ganz besonderes Gefühlmit auf den Weg gaben, eine Mischung aus Melancholie und Sentimentalität.

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gestern Abend vor dem Sturm

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Schön war es, aber Abschied heißt nun einmal scheiden. Von einigen meiner Lieblingsmenschen und auch von meiner Lieblingsstadt. Aber ich weiß ich werde euch alle wieder sehen.

Und wärend ich aus dem Park Richtung Bahnhof eile, erlebe ich die letzten Tage auch noch einmal wie im Film. Großes Kino, sage ich da nur. Herrlich war es, mal wieder hier gewesen zu sein, und der heutige Tag war ein würdevoller Abschluß. Voller Input - Totaler Impakt.

Aber schließlich hat mich auch die Realität wieder und ich pirsche mich von oben kommend and den Bahnhof an. Ueno ist einer der großen Umsteigebahnhöfe an dem auch verschiedene Shinkansen auf ihrem Weg nach Norden bzw. Nordwesten halten. Und aufgrund der relativen Nähe zum Flughafen Narita für mich ein immer wieder gewählter bequemer Ort für eine Übernachtung.

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Und nach einem Stop an einem der vielen Souvenirshops im Bahnhof stehe ich nun da auf dem Bahnsteig, tief unter den Straßen der Stadt. Super getimt das Ganze, mein Zug kommt in wenigen Minuten und wird mich heraus bringen aus dieser wahnsinnigen Stadt, voller Träume und Schäume, und wird mich in eine ganz andere Gegenwart bringen, in der mich eine ganz andere Form der Sentimentalität erwartet. Aber ich weiß, dass dort ein paar ganz wichtige Personen schon darauf brennen, mich mich endlich wiederzusehen. Und mir geht es doch genauso!

Und während ich mich in meinem Sitz zurücklehne, sehe ich wie der Himmel immel dunkler wird und plötzlich anfängt seine Wassermassen Richtung Erde zu schicken. Wieder einmal alles richtig gemacht.

Na dann, jetzt ist genau die richtige Zeit, um die Augen zu schließen und ein bisschen zu träumen. Die Realität kann warten.

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Und auch hier habe ich mir im Nachhinein mal meine Route etwas genauer angeschaut und gesehen, dass zu den sieben Kilometern aus Teil 1 in Shinagawa hier noch einmal viereinhalb Kilometer dazugekommen sind. Und diese mit ziemlich flinken Füßen.

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Ich freue mich schon auf meinen nächsten Spaziergang, auch wenn er noch ein bisschen warten muss. Aber eins ist hundertprozentig sicher:

Tokyo, ich komme wieder!

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